Samstag, 30. April 2011

Über diese Brücke mußt Du geh'n!

Mein Pflegepferd Guy hatte große Angst vor dem Überqueren einer Autobahnbrücke. Dies zeigte er mir beim ersten Versuch vor einiger Zeit, indem er vor der Brücke erst schlagartig stehen blieb, und dann umkehren wollte. Das Umkehren verhinderte ich zunächst. Es war aber nicht daran zu denken, auch nur einen Zentimeter weiter auf die Brücke zu gehen. Nicht durch Antippen oder Wedeln mit der Gerte, noch durch Absteigen und Führen. Eher sind wir dabei zehn Zentimeter weiter zurück geraten.

Einen Kampf gegen das Pferd wollte ich nicht beginnen, offiziell aufgeben aber auch nicht. Also ließ ich das Pferd etwas tun, was wir in diesem Moment auch beide konnten: fünf Schritte rückwärts gehen, eine Vorhandwendung. Dafür lobte ich das Pferd und ritt zurück.

Nebenbei bemerkt, kann ich Guy verstehen: Die Geräuschkulisse auf so einer Autobahnbrücke ist enorm! Der Krach ist so stark, daß man ihn nicht nur hört, sondern auch spürt.

Beim nächsten Mal parierte ich das Pferd ein Stück vor der Brücke zum Stehen durch. Damit kam ich ihm zuvor und verhinderte, daß er eine eigene Entscheidung traf und von selbst stehenblieb. Dann ritt ich wieder an und parierte nach zwei, drei, vier Schritten wieder durch. Das wiederholte ich, bis das Anreiten deutlich schwerer ging (aber noch möglich war!). Dann ließ ich ihn einige Sekunden stehen, wieder drei Schritte rückwärts gehen, machte eine Vorhandwendung und ritt nach Hause.

Das machte ich die nächsten dreimal genauso.

Beim letzten Mal parierte ich Guy allerdings nicht durch sondern ritt weiter. Als er fragte: "Was ist los? Hier läßt Du mich sonst immer anhalten. Und hier auch. Und hier...", und langsamer wurde, gab ich für einige Schritte sofort deutlich mehr Druck, bis er wieder sicher weiterging. Gleichzeitig, im Takt der Schenkelimpulse rief ich: "Komm! - Komm! - Komm!...". Den ersten Schenkelimpuls unterstützte ich durch leichtes Antippen mit der Gerte (die ich ja sonst fast nie benutze).
Wichtig: Sobald Guy wieder sicher weiterging, ließ ich schlagartig sämtlichen zusätzlich aufgebauten mechanischen und akustischen Druck wieder weg. Aber ich setzte damit genauso schlagartig wieder ein, wenn er auch nur daran dachte, wieder langsamer zu werden.
Diese Intervention brauchte ich vielleicht viermal über die Länge der Brücke. Als wir drüben waren, lobte ich Guy sehr ausführlich mit Stimme und beiden Händen. Dann sahen wir uns auf der anderen Seite noch ca. zwanzig Minuten den Wald an und ritten wieder über die Brücke zurück nach Hause. Diesmal brauchte er auf der Brücke nur minimale Unterstützung: Ständigen Zügelkontakt, hin und wieder halbe Paraden und begleitend dann leicht erhöhten Schenkeldruck. Gleich hinter der Brücke lobte ich ihn wieder ausführlich.

Ab jetzt sollte ich mit Guy auf der Brücke eigentlich keine Probleme mehr haben. Das sehen wir dann ja beim nächsten Versuch, die Brücke zu überqueren.

Samstag, 9. April 2011

Bleib ruhig, Cilly!

Heute vormittag haben wir vom Reiterhof aus mit der Abteilung bei schönem Wetter einen Ausritt unternommen. Das tun wir dort desöfteren. Ganz normal: Reitlehrer vorneweg, die anderen Reiter in festgelegter Reihenfolge hinterher.

"Mein" Pferd Cilly läßt sich recht leicht vom Gemütszustand anderer Pferde und Reiter in ihrer Nähe anstecken. Da das Pferd direkt hinter uns von Anfang an sehr aufgeregt war, ständig traben wollte, und sich häufig neben statt hinter uns befand, mußte ich heute sehr auf Cilly aufpassen. Aber: das zahlte sich auch aus. Als das Pferd das erste Mal neben uns ankam, gingen Cillys Ohren nach hinten und sie lief angespannt und leicht seitwärts. Deshalb reagierte ich sofort:

  • Ich bemühte mich, genauso entspannt sitzen zu bleiben, wie ich zuvor auf dem Pferd saß.
  • Ich ließ also keine zusätzliche Spannung und kein Zucken in meinem Körper zu.
  • Ich nahm sofort den rechten Zügel paradenartig an und bog sie mit den Schenkeln wieder gerade.
  • Ich trieb sie ein paar Schritte verstärkt vorwärts, gegen den leicht anstehenden Zügel.
  • Als sie nachgab, gab auch ich sofort wieder die Zügel nach und ließ auch den Schenkeldruck wieder weg.

Ich hatte Cilly also durch meinen unveränderten Sitz mitgeteilt, daß uns die Aufregung des anderen Pferdes nichts angeht. Außerdem traf ich für uns beide zeitgleich eine Entscheidung, nämlich wie es weitergeht: Gerade und vorwärts. Beim nächsten Mal tat ich genau dasselbe. Nur ging es viel schneller und leichter. Später war von meiner Seite aus dazu schon fast nichts mehr zu tun. Nun ging Cilly entspannt mit gesenktem Kopf vor / neben einem vor Aufregung ständig trippelndem Pferd.

Fazit: Es lohnt sich, auch beim Reiten ständig auf sein Pferd zu achten, um dann zeitnah und adäquat reagieren zu können. Solche kleinen Erfolge zeigen uns, daß wir auch ohne die Möglichkeit, unsere Schulpferde ausbilden zu können, sehr gut zurechtkommen können, und bestätigen uns, mit unserer eigenen "Ausbildung" auf dem richtigen Weg zu sein.